Zum Hauptinhalt springen

Glossar Die Ethischen Leitlinien der GI 2018

Auswirkungen beurteilen, Lösungen suchen

Die GI-Mitglieder sind sich bewusst, dass Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben. Es wird immer widerstreitende Interessen geben. Das GI-Mitglied setzt sich dafür ein, dass ein gerechter Ausgleich und eine umfassende Offenlegung der konfligierenden Interessen sichergestellt werden können.

Bedürfnisse von Menschen

Die GI-Mitglieder sind sich bewusst, dass Menschen divers sind und unterschiedliche Bedürfnisse haben. Die GI-Mitglieder sollen die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in Lehre, Forschung und Entwicklung im Rahmen des Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen berücksichtigen. Dazu gehört neben dem Einsatz von diskriminierungsfreien Organisations- und Arbeitsstrukturen, dass gängige Richtlinien zur Barrierefreiheit für Websites, Software, Präsentationen und Dokumente befolgt werden.

u.l.

Hier wird m.E. unnötig bzw. sogar fälschlich auf Menschen mit Behinderungen eingeengt. Es mag als ein Beispiel gedacht gewesen sein, liest sich aber doch nun wie der einzig angestrebte Fall. Dabei sollte es uns Informatikern doch ganz generell um die Bedürfnisse von Menschen gehen. Wenn ich z.B. an das Thema Bildungstechnologie denke, sollte diese stets verschiedene Lernstile oder -typen berücksichtigen, niemanden bevorzugen oder benachteiligen.

Vielleicht hilft es schon, ein „z.B.“ einzufügen und das umrissene Feld mit einem weiteren Beispiel zu öffnen?

Berufsethik, Moral

Ethik umfasst die explizite Beschäftigung mit Moral, also den Prinzipien, Regeln und Verhaltensweisen in der Gesellschaft sowie die Begründung von moralisch gebotenen Handlungen. Die Beurteilung einer Aktivität in moralischer Hinsicht kann von jedem Menschen vorgenommen werden. Jeder Mensch hat ein persönliches Gefühl von richtigem, angemessenen Handeln in bestimmten Situationen. Manchmal gerät der nachdenkende Mensch in einen inneren Konflikt, etwa, wenn die übertragene Aufgabe nur mit einem schlechten Gewissen erfüllt werden kann.

r.c.

Ethik als Theorie der Moral und von Moral als die geltenden Sitten und Gebräuche (mores). Das ist eine geläufige Unterscheidung (siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Ethik)

Die Überschrift „persönliche Moral“ führt etwas in die Irre. 

Stefan Ullrich

Da hast du recht. Ich streiche das persönlich aus der Überschrift.

Digitale Transformation der Arbeit

Die Digitalisierung und Algorithmisierung der Wirtschaft und Arbeitswelt ist im vollen Lauf, die umfassende Vernetzung von informationstechnischen Systemen, die Fortschritte in der Robotik, die Entwicklung im Bereich der Überwachungstechniken sowie die Forschungsergebnisse im Bereich der so genannten „Künstlichen Intelligenz“ offenbaren neue Chancen und Risiken für Beschäftigte. Neue Arbeitsfelder werden erschlossen, andere werden überflüssig. Den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern stehen erheblich erweiterte Optionen zur Verlagerung von Arbeitsvolumina und Standorten zur Verfügung. Alte Geschäftsmodelle werden brüchig und neue entstehen, Wertschöpfungsketten, Märkte und Branchen verändern sich rapide.

Diese Entwicklung lässt sich unter dem Begriff der „Digitalen Transformation der Arbeit“ zusammenfassen. Sie wirft viele neue, aber auch grundsätzliche Fragen der post-industriellen Gesellschaft auf, die kritisch und konstruktiv von den GI-Mitgliedern gestellt werden sollen. Die Versuche einer Beantwortung sollen mit Einbezug von Politik, Wirtschaft, Forschung und Öffentlichkeit stattfinden.

Georg

Digitalisierung ist ein Plastikwort. Die unreflektierte Übernahme in ein Glossar (der Gesellschaft für Informatik!) wertet den Begriff unnötig auf.

ullrich

Hallo, ja, wir finden auch, dass der Begriff Digitalisierung im allgemeinen Sprachgebrauch sehr breit verstanden wird, daher haben wir mit der Algorithmisierung den weitaus zentraleren Begriff mit hineingenommen.

Nils Weskamp

Ich würde vorschlagen, auch die zusätzlichen Optionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu erwähnen: „Gleichzeitig bieten sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neue Möglichkeiten, ihre Tätigkeiten örtlich, zeitlich und auch inhaltlich flexibler zu gestalten“ (o.ä.)

Diskriminierung

Die Diskriminierung im Wortsinn, also die Unterscheidung, ist Kern der Digitalisierung; hier ist jedoch die Diskriminierung im Sinne von Rassismus, Sexismus oder aufgrund von körperlicher Beeinträchtigung gemeint. Bei der Modellierung von Software und IT-Systemen fließen die Welt- und Menschenbilder der Entwicklerinnen und Entwickler in einer nicht vorhersagbaren, intransparenten und subtilen Art und Weise ein. Die GI-Mitglieder sollen sich der Verstärkung von Machtstrukturen durch Technik bewusst sein und mit ihrem Wirken auf eine diskriminierungsfreie Gesellschaft zielen.

d.h.

Hier wird eine abgeschlossene Liste angeführt. Besser erscheint es mir, die Liste nicht abgeschlossen zu machen oder explizit Themen wie „aufgrund von Kaufkraft oder persönlichen Interessen“

Diskurs

Diskurse sind Verfahren gemeinschaftlicher Reflexion von Problemen mit einem normativen, wertbezogenen Hintergrund, die von Einzelnen oder einer einzelnen Fachdisziplin nicht immer überschaut werden können. Ihre wesentliche Leistung liegt darin, in der fachübergreifenden Kommunikation Erkenntnis- und Verständnisgrenzen zu überwinden sowie Vorurteile zu hinterfragen und im Lichte anderer Positionen zu überprüfen.

Fachkompetenz, Sachkompetenz, kommunikative Kompetenz

Fachkompetenz heißt, dass man etwas von informationstechnischen Systemen versteht. Unter Sachkompetenz werden Kenntnisse und Fertigkeiten im Einsatzbereich (z. B. Automobilbranche, Medizin, Militär) verstanden, das Begreifen des Anwendungszusammenhangs. Die Vermittlung komplexer Zusammenhänge oder die Erklärung technischer Grundbedingung sollen als integraler Bestandteil technischen Handelns gesehen werden.

Die bewusste Hinnahme fehlender Fähigkeiten in dem Spezialgebiet des technisch Handelnden im Umgang mit IT-Systemen ist verantwortungslos. Auch die Grenzen der eigenen Fähigkeiten müssen Gegenstand der gemeinsamen Überlegungen werden. Neue technische Entwicklungen müssen entsprechend adressiert werden können. Ständige Weiterbildung ist Bedingung dafür, dass das technische Handeln den Rechten der Betroffenen gerecht werden kann.

Gutes wissenschaftliches Arbeiten

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) formuliert in ihrer Denkschrift „Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ Empfehlungen des guten wissenschaftlichen Arbeitens und fordert, die Redlichkeit zur Richtschnur des Denkens und wissenschaftlichen Handelns zu machen.

Wichtigste Forderung ist, dass akzeptierte Regeln guter wissenschaftlicher Praxis aufgestellt werden. Grundsätzlich soll nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gehandelt, die Resultate dokumentiert und alle Ergebnisse konsequent kritisch überprüft werden. Weiterhin wird gefordert, strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die wissenschaftlichen Beiträge von Partnerinnen und Partnern, Konkurrentinnen und Konkurrenten sowie Vorgängerinnen und Vorgängern zu wahren.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen Hypothesen systematisch prüfen und keine Informationen unterschlagen, die gegen eigene Hypothesen sprechen. Die Prüfung von Hypothesen muss dem jeweils anerkannten Forschungsstand folgen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen in diesem Prozess neutral und objektiv agieren.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen Fälschungen weder produzieren noch willentlich oder fahrlässig nutzen, um eigene Forschungsergebnisse zu stützen. Das Erstellen oder Tolerieren von Plagiaten untergräbt das Fundament der Wissenschaft als solche.

Informationstechnisches System, IT-System

Unter einem IT-System wird analog zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jegliche Art von datenverarbeitenden Systemen verstanden, also einem System, welches aus Hard- und Software sowie aus Daten besteht, das der Erfassung, Speicherung, Verarbeitung, Übertragung oder der Anzeige von Informationen und Daten dient, wie zum Beispiel Personal Computer (PC), Laptop, Smart Phone, Internet-Server, moderne Automobile, autonome Systeme, Videoüberwachungssysteme, Router, Internet-of-Things-Geräte und dergleichen mehr.

Ludger Humbert

Warum nicht den bereits mit den letzten Leitlinien etablierten Begriff
»Informatiksystem« nutzen?
Auch den Begriff »Informatikmittel« würde ich mir wünschen!
Warum?
Wir sind die Gesellschaft für Informatik und sollten in der Begriffsbildung immer versuchen, die Bezeichnung unserer Wissenschaft miteinfließen zu lassen.

Danke
Ludger Humbert

Stefan Ullrich

Ja, wir haben lang damit gerungen. Letztendlich haben wir uns für die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts entschieden.

Interdisziplinarität

Die Informatik ist seit ihrer Gründung ein interdisziplinäres Fach. In der universitären Ausbildung werden die terminologischen und methodischen Grenzen der Human-, Technik-, Rechts- und Sozialwissenschaften aufgehoben oder zumindest in Frage gestellt, mathematische Grundlagen sind ebenso Teil der Disziplin wie Elektrotechnik, Ökonomie und Technikgeschichte. Auch berufliche Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger für IT-Berufe ohne IT-nahen Abschluss tragen zur Vielfalt der nicht nur theoretischen, sondern auch und gerade praktischen Disziplin Informatik bei.

IT-Grundrechte

Die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht sind Ausgangspunkte für speziell auf technisches Handeln ausgerichtete Gesetze, darunter das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Dabei spielt es keine Rolle, welche Nationalität oder Weltanschauung eine Nutzerin bzw. ein Nutzer eines IT-Systems besitzt oder in welchem Land das IT-System betrieben wird, es handelt sich bei den IT-Grundrechten um universell geltende Menschenrechte.

Konflikt von Recht und Moral

In einer komplexen, dynamischen und offenen Gesellschaft kommt es in Ausnahmefällen vor, dass bestehende Gesetze oder Firmenvorschriften mit ethisch gebotenen Handlungen in Konflikt stehen. Die Leitlinien ermutigen das GI-Mitglied, sich in solchen Konfliktfällen von moralischen Beweggründen leiten zu lassen und sich danach allen daraus folgenden rechtlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen zu stellen. Ausgangspunkt der eigenen technischen Handlung ist stets die Achtung und Wahrung der Menschenwürde.

Kontroll- und Überwachungstechnik

Unter Kontroll- und Überwachungstechnik werden informationstechnische System verstanden, die objektiv geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung von Menschen zu überwachen. Bei Einführung und Betrieb solcher Systeme steht den Interessenvertretungen ein Mitbestimmungsrecht zu. Alle von Kontroll- und Überwachungstechniken Betroffenen haben das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auf Wahrung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Besonderes Augenmerk soll den rechtlich geregelten Methoden zur Strafverfolgung eingeräumt werden. Betroffene eines Überwachungssystems sind sowohl der per Richterbeschluss überwachten Personen als auch die Überwacherinnen und Überwacher.

Menschenwürde, allgemeine moralische Prinzipien des Grundgesetzes

Die Menschenwürde ist Ausgangspunkt für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das mit dem Satz beginnt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Darunter fallen das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit, die Gleichberechtigung aller Menschen, das Recht auf Freiheit der Lebensgestaltung, Freiheit der Religionsausübung, Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit, das Versammlungsrecht, das Recht auf Schulbildung, das Kommunikationsgeheimnis, das Recht auf Mobilität, der Schutz der Privat- und Intimsphäre.

H.G.

Die nun aufgezählten Grundrechte „fallen“ nicht unter die Menschenwürde. Sie haben neben der Menschenwürde einen eigenen Geltungscharakter. Es müsste also z.B. heißen „Im Besonderen schützt das Grundgesetz …“.

Ich meine auch, dass die Grundrechte keine „moralischen Prinzipien“ sind (s.o.), dazu werden sie erst, wenn ein einzelnes Individuum sich die Grundrechte zu eigen macht (vgl. Definition von (Berufs-)Ethik weiter oben). Ethische Prinzipien (beschreibend) sind es wohl, da Werte repräsentierend.

Organisationsstrukturen

Die digitale Transformation der Arbeit besitzt erhebliches emanzipatorisches Potential und kann neue Arbeitsplätze und -formen schaffen. Damit diese Chancen der digitalen Transformation möglichst vielen Menschen zugutekommen, bedarf dies der gezielten gestalterischen Initiative der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber.

Räumliche und zeitliche Flexibilität kann zu einer höheren Arbeitsqualität und besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf führen, sie kann aber auch das Gegenteil bewirken. Um eine hohe Arbeitsqualität sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen, müssen entsprechende Organisationsstrukturen vorhanden sein bzw. geschaffen werden.

Es muss die Möglichkeit vorhanden sein bzw. geschaffen werden, betriebsintern auch vertraulich auf Missstände hinweisen zu können.

Die betriebliche Mitbestimmung muss angesichts der digitalen Transformation von Arbeit modernisiert werden. Vom GI-Mitglied wird erwartet, dass es auch bei innovativen Arbeitsformaten die grundlegenden Arbeitnehmerrechte (wie die Zahlung im Krankheitsfall) und -vertretungen (wie beispielsweise Betriebsräte) vorsieht.

Gabriele Kunau

Die Formulierung „Vom GI-Mitglied wird erwartet …“ gehört mE nicht in das Glossar. Ein Glossar ist zur Erklärung von Begriffen da. Erwartungen an die Mitglieder sollten ausschließlich in den Leitlinien selber formuliert werden.

Recherche-Kompetenz

Die so genannten Suchmaschinen großer Werbefirmen erleichtern den Zugang zu Lernmaterialien der Informatik, jedoch stehen qualitativ höchst unterschiedliche Materialien gleichberechtigt nebeneinander. Das kritisch denkende GI-Mitglied sollte in der Lage sein, die Quellen bewerten und kommunikativ vermitteln zu können.

Rechtliche Regelungen

Rechtliche Regelungen, die für die Gestaltung von Informatiksystemen bedeutsam sind, finden sich inzwischen in nahezu allen Bereichen der Rechtsordnung, darunter Datenschutzrecht (einschließlich Arbeitnehmerdatenschutz); Informationsfreiheitsrecht; Computerstrafrecht; Immaterialgüterrecht; IT-Sicherheitsgesetz; Telekommunikationsrecht; Medienrecht; Jugendschutzrecht; Verbraucherschutzrecht.

In diesen Ethischen Leitlinien wurden explizit die vom Bundesverfassungsgericht ausgeführten IT-Grundrechte erwähnt, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

H.G.

Die dort enthaltene Aufzählung finde ich überflüssig, zumal sie keine innere Logik hat und keineswegs abschließend ist. Außerdem weiß wohl jeder, was rechtliche Regelungen sind.

Der zweite Absatz sollte besser beim Artikel „Menschenwürde“ platziert werden, das Bundesverfassungsgericht leitet ja informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Gewährleistung … selbst neben Art.2 aus Art.1 GG ab.

Sozial verträgliche Arbeitsbedingungen

Auch wenn sich dieser Artikel vornehmlich an GI-Mitglieder in Führungspositionen richtet, ist doch jedes Mitglied aufgerufen, auf unmoralische Arbeitsbedingungen betriebsintern und ggf. öffentlich hinzuweisen. Die Gewerkschaftliche Erklärung „Gute Arbeit in Zeiten des digitalen Umbruchs!“ der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft hat zentrale Punkte identifiziert. Die GI lehnt die gewerkschaftlichen Forderungen weder ab, noch unterstützt sie sie; die zentralen Punkte in dieser Erklärung sind jedoch sehr gut herausgearbeitet:

  1. Qualifizierung: Um die Beschäftigungschancen der digitalen Transformation nutzen zu können, müssen geeignete Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten existieren.

  2. Gesundheit: Erweiterte Freiräume und höhere Flexibilität durch Digitalisierung wandeln sich im Zuge der Prekarisierung der Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse in gesundheitliche Risiken. Relevante Normen und ergonomische Standards des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die für ortsfeste Arbeitsplätze gelten, kommen bei ortsflexibler Arbeit bislang nicht wirksam zur Anwendung.

  3. Persönlichkeitsrechte: Das Arbeiten mit digitalen Werkzeugen hinterlässt eine Datenspur, die zur Durchleuchtung, Kontrolle und Steuerung des Verhaltens von Angestellten oder freien Mitarbeitern genutzt werden kann. Auch die immer häufiger konsultierte „Digitale Reputation“ erfordern rechtliche, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen.

  4. Neue Arbeitsformen: Durch die digitale Transformation der Arbeitswelt entstehen neue Arbeitsformen, die sich erheblich von den Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen klassischer Prägung unterscheiden. Einerseits eröffnen sich hier Erwerbs- und Einkommenschancen, andererseits fehlt es bei diesen neuen Arbeitsformen in aller Regel an sozial verträglichen Bedingungen hinsichtlich Bezahlung, Arbeitszeit oder Arbeitsschutz.

Stand von Wissenschaft und Technik

Die Leitlinien wären schon bei ihrer Verkündung veraltet, wenn man sie bloß auf einen schon bekannten Wissensfundus in der Informatik bezöge. Statt starrer Verweise bietet sich als Ausweg an, das Prinzip der sog. offenen normativen Standards zu übernehmen, für das sich das deutsche technische Sicherheitsrecht entschieden hat. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Prinzip in mehreren Grundsatzentscheidungen zu einer sog. „Dreistufenlehre“ konkretisiert, hier folgen wir den Leitsätzen des Urteils zum „Schnellen Brüter Kelkar I“ ( BVerfGE 49, 89 Absatz 105ff.).

  • 1. Stufe: „Allgemein anerkannte Regeln der Technik“
    Bei dieser Art der Verknüpfung von Recht und Technik können die Behörden und Gerichte sich darauf beschränken, die herrschende Auffassung unter den technisch Handelnden zu ermitteln, um festzustellen, ob das jeweilige technische IT-System eingesetzt werden darf oder nicht.

  • 2. Stufe: „Stand der Technik“
    Der Maßstab für das Gebotene wird an die Front der technischen Entwicklung verlagert, für die die allgemeine Anerkennung und die praktische Bewährung alleine nicht ausreichen. Bei dieser Formel gestaltet sich die Feststellung und Beurteilung der maßgeblichen Tatsachen für Behörden und Gerichte allerdings schwieriger. Sie müssen in die Meinungsstreitigkeiten der technisch Handelnden eintreten, um zu ermitteln, was technisch notwendig, geeignet, angemessen und vermeidbar ist. Die meisten Gesetze zum Datenschutz und auch das IT-Sicherheitsgesetz enthält in der Regel diese Formel vom „Stand der Technik (und Organisation)“.

  • 3. Stufe: „Stand von Wissenschaft und Technik“
    Bei besonders sicherheitskritischen Techniken sollte diese Formel verwendet werden, die einen noch stärkerer Zwang dahin ausgeübt, dass eine Regelung mit der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung Schritt hält. Geboten ist, was nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird. Das jeweils Erforderliche wird also nicht durch das technisch gegenwärtig Machbare begrenzt. Einen Verweis auf den „Stand von Wissenschaft und Technik“ sucht man gegenwärtig im IT-Sicherheitsgesetz vergeblich.

Georg

Wieso nur „bei besonders sicherheitskritischen Techniken“? Die derzeitigen Leitlinien haben diese Einschränkung nicht.

ullrich

Hallo, das ist den Leitsätzen des Urteils zum „Schnellen Brüter Kelkar I“ ( BVerfGE 49, 89 Absatz 105ff.) entnommen.

Technische Handlung

Die Gesamtheit aller beabsichtigten oder verursachten informations- und kommunikationstechnischen Gestaltungsprozesse in Arbeit, Gesellschaft und Politik. Z. B.: Herstellen von IT-Systemen. Arbeiten an und mit IT-Systemen, Administration, Wartung, Bedienung von IT-Systemen. Treffen von Entscheidungen, politische Aktivität, öffentliche Reden und gesellschaftliches Engagement.

Georg

Die Philosophie dahinter erschließt sich mir nicht. „Öffentliche Reden“ sind eine technische(!) Handlung(!)?

ullrich

Uhm, hmm, das führt ein wenig weit, aber kurz angedeutet: Ja, für mich sind öffentliche Reden eine technische Handlung. Das liegt an der breiten Lesart von Technik (technē). Der korrekte Gebrauch der Sprache ist eine Technik, die gelernt werden kann (und sollte), der Sprechakt ist eine Handlung. In einer Demokratie mit mehr als 5040 Personen benötigen wir Techniken, um unsere Meinung öffentlich kund zu tun (Kants lesendes Publikum benötigt den Buchdruck, die Schrift und andere Kulturtechniken).

Thematisierung der eigenen Grenzen

Zur Ehrlichkeit und Redlichkeit der Wissenschaft gehört notwendigerweise die Thematisierung der eigenen Grenzen. Mediale Aufmerksamkeit und ökonomische Förderung dürfen nicht dazu führen, dass Ergebnisse geschönt dargestellt oder die Grenzen ihrer Aussagekraft verschwiegen werden. Das GI-Mitglied soll weder die wissenschaftliche Gemeinde noch die Öffentlichkeit täuschen.

Das GI-Mitglied wird angehalten, sein Unwissen in angebrachter Weise offen und mutig zuzugeben.

Urteilsfähigkeit, Urteilsvermögen, kritisches Denken

Der Mensch ist vernunftbegabt und somit in der Lage, eine moralisch gebotene Entscheidung anhand der korrekten Erfassung und Einordnung der Situation oder des Sachverhaltes treffen zu können. Bei der Beurteilung spielt die qualitative Bewertung eine zentrale Rolle. Allein mit Hilfe von Metriken (bspw. Anzahl Betroffener) lassen sich keine moralischen Entscheidungen treffen.

Verantwortung

Eine Definition von Verantwortung beinhaltet mindestens folgende Komponenten: Jemand ist verantwortlich (Personen, Korporationen etc.) für etwas (Folgen) gegenüber einem Adressaten (Betroffene) vor einer Instanz (Sanktions- und/oder Urteilsinstanzen) in Bezug auf Kriterien (Normen, Werte) im Rahmen eines bestimmten Kontextes (Verantwortungs- und/oder Handlungsbereiche). Da Menschen die Folgen ihres Handelns nicht immer abschätzen können, sollten Entscheidungen nach Möglichkeit so getroffen werden, dass sie widerrufbar sind und korrigierbar bleiben. Damit wird der Handlungsspielraum aller Beteiligten erweitert und nicht von vornherein alternativlos eingeschränkt. Gemeinschaftliche Verantwortung beruht auf der Möglichkeit, Handlungen gemeinschaftlich zu bedenken. Eine besondere Notwendigkeit solcher Reflexion ergibt sich immer dann, wenn individuelle Ansprüche mit jenen einer Gemeinschaft in Konflikt geraten, die Handlungsmöglichkeiten einzelner Personen nicht ausreichen oder eindeutige Verantwortungszuweisungen nicht möglich sind.

Verbesserung der Lebensbedingungen

Informationstechnische Systeme durchdringen alle Lebensbereiche des modernen Menschen, teils direkt, teils indirekt. Auswirkungen von IT-Systemen kann der technisch handelnde Mensch aufgrund seiner Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten besser als andere beurteilen, daher soll er sich initiativ für den Schutz und die Wahrung der Menschenwürde im lokalen und globalen Kontext einsetzen.

Wechselwirkung mit Anderen

Jede Handlung hat Auswirkungen auf Menschen, entweder direkt oder indirekt über IT-Systeme, bspw. die digitale Kluft (engl. „digital divide“), veränderte Arbeitsstrukturen in Betrieben, Rationalisierung und Schaffung neuer Arbeitsplätze, verändertes Kommunikations- und Sozialverhalten, Festigung oder Auflösung von Vorurteilen, die Entstehung virtueller Gemeinschaften etc. Jede Handlung soll die besondere Art und Vielfalt der Menschen berücksichtigen, die von ihr betroffen sein können.

Zivilcourage

Zivilcourage ist der Mut, für den Schutz und die Wahrung der Menschenwürde einzutreten, auch wenn Gesetze, Verträge oder andere Normen dies nicht explizit fordern oder dem gar entgegenstehen. Bevor öffentlich auf den Missstand hingewiesen wird, soll zunächst eine interne Lösung des Konflikts angestrebt werden. Das GI-Mitglied trägt die rechtlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen seiner Handlung.

 

 

16 Antworten auf „Glossar“

  1. u.l.
    FEBRUAR 7, 2018 UM 2:39 PM UHR

    Hier wird m.E. unnötig bzw. sogar fälschlich auf Menschen mit Behinderungen eingeengt. Es mag als ein Beispiel gedacht gewesen sein, liest sich aber doch nun wie der einzig angestrebte Fall. Dabei sollte es uns Informatikern doch ganz generell um die Bedürfnisse von Menschen gehen. Wenn ich z.B. an das Thema Bildungstechnologie denke, sollte diese stets verschiedene Lernstile oder -typen berücksichtigen, niemanden bevorzugen oder benachteiligen.

    Vielleicht hilft es schon, ein „z.B.“ einzufügen und das umrissene Feld mit einem weiteren Beispiel zu öffnen?Reference
     

  2. r.c.
    FEBRUAR 7, 2018 UM 2:43 PM UHR

    Ethik als Theorie der Moral und von Moral als die geltenden Sitten und Gebräuche (mores). Das ist eine geläufige Unterscheidung (siehe
    https://de.wikipedia.org/wiki/Ethik)

    Die Überschrift „persönliche Moral“ führt etwas in die Irre.Reference
     

    1. Stefan Ullrich
      FEBRUAR 23, 2018 UM 11:07 AM UHR

      Da hast du recht. Ich streiche das persönlich aus der Überschrift.
       

  3. d.h.
    FEBRUAR 7, 2018 UM 2:54 PM UHR

    Hier wird eine abgeschlossene Liste angeführt. Besser erscheint es mir, die Liste nicht abgeschlossen zu machen oder explizit Themen wie „aufgrund von Kaufkraft oder persönlichen Interessen“Reference
     

  4. Nils Weskamp
    MÄRZ 1, 2018 UM 7:13 PM UHR

    Ich würde vorschlagen, auch die zusätzlichen Optionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu erwähnen: „Gleichzeitig bieten sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neue Möglichkeiten, ihre Tätigkeiten örtlich, zeitlich und auch inhaltlich flexibler zu gestalten“ (o.ä.)Reference
     

  5. Gabriele Kunau
    MÄRZ 2, 2018 UM 11:00 AM UHR

    Die Formulierung „Vom GI-Mitglied wird erwartet …“ gehört mE nicht in das Glossar. Ein Glossar ist zur Erklärung von Begriffen da. Erwartungen an die Mitglieder sollten ausschließlich in den Leitlinien selber formuliert werden.Reference
     

  6. Georg
    MÄRZ 18, 2018 UM 3:26 PM UHR

    Wieso nur „bei besonders sicherheitskritischen Techniken“? Die derzeitigen Leitlinien haben diese Einschränkung nicht.Reference
     

    1. ullrich
      MÄRZ 20, 2018 UM 9:34 AM UHR

      Hallo, das ist den Leitsätzen des Urteils zum „Schnellen Brüter Kelkar I“ ( BVerfGE 49, 89 Absatz 105ff.) entnommen.
       

  7. Georg
    MÄRZ 18, 2018 UM 6:16 PM UHR

    Digitalisierung ist ein Plastikwort. Die unreflektierte Übernahme in ein Glossar (der Gesellschaft für Informatik!) wertet den Begriff unnötig auf.Reference
     

    1. ullrich
      MÄRZ 20, 2018 UM 9:37 AM UHR

      Hallo, ja, wir finden auch, dass der Begriff Digitalisierung im allgemeinen Sprachgebrauch sehr breit verstanden wird, daher haben wir mit der Algorithmisierung den weitaus zentraleren Begriff mit hineingenommen.
       

  8. Georg
    MÄRZ 18, 2018 UM 6:22 PM UHR

    Die Philosophie dahinter erschließt sich mir nicht. „Öffentliche Reden“ sind eine technische(!) Handlung(!)?Reference
     

    1. ullrich
      MÄRZ 20, 2018 UM 9:45 AM UHR

      Uhm, hmm, das führt ein wenig weit, aber kurz angedeutet: Ja, für mich sind öffentliche Reden eine technische Handlung. Das liegt an der breiten Lesart von Technik (technē). Der korrekte Gebrauch der Sprache ist eine Technik, die gelernt werden kann (und sollte), der Sprechakt ist eine Handlung. In einer Demokratie mit mehr als 5040 Personen benötigen wir Techniken, um unsere Meinung öffentlich kund zu tun (Kants lesendes Publikum benötigt den Buchdruck, die Schrift und andere Kulturtechniken).
       

  9. H.G.
    MAI 23, 2018 UM 3:07 PM UHR

    Die nun aufgezählten Grundrechte „fallen“ nicht unter die Menschenwürde. Sie haben neben der Menschenwürde einen eigenen Geltungscharakter. Es müsste also z.B. heißen „Im Besonderen schützt das Grundgesetz …“.

    Ich meine auch, dass die Grundrechte keine „moralischen Prinzipien“ sind (s.o.), dazu werden sie erst, wenn ein einzelnes Individuum sich die Grundrechte zu eigen macht (vgl. Definition von (Berufs-)Ethik weiter oben). Ethische Prinzipien (beschreibend) sind es wohl, da Werte repräsentierend.Reference
     

  10. H.G.
    MAI 23, 2018 UM 3:08 PM UHR

    Die dort enthaltene Aufzählung finde ich überflüssig, zumal sie keine innere Logik hat und keineswegs abschließend ist. Außerdem weiß wohl jeder, was rechtliche Regelungen sind.

    Der zweite Absatz sollte besser beim Artikel „Menschenwürde“ platziert werden, das Bundesverfassungsgericht leitet ja informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Gewährleistung … selbst neben Art.2 aus Art.1 GG ab.Reference
     

  11. Ludger Humbert
    JUNI 19, 2018 UM 2:03 PM UHR

    Warum nicht den bereits mit den letzten Leitlinien etablierten Begriff
    »Informatiksystem« nutzen?
    Auch den Begriff »Informatikmittel« würde ich mir wünschen!
    Warum?
    Wir sind die Gesellschaft für Informatik und sollten in der Begriffsbildung immer versuchen, die Bezeichnung unserer Wissenschaft miteinfließen zu lassen.

    Danke
    Ludger HumbertReference
     

    1. Stefan Ullrich
      JUNI 19, 2018 UM 2:09 PM UHR

      Ja, wir haben lang damit gerungen. Letztendlich haben wir uns für die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts entschieden.